Der Andrang am Schnupperabend Latein, zu dem das Johannes-Turmair-Gymnasium Grundschüler und ihre Eltern eingeladen hatte, war wie schon im Vorjahr immens. Die angehenden Gymnasiasten durften im Latein-Schnupperunterricht entweder mit Schulleiterin Andrea Kammerer persönlich oder mit Lateinlehrerin Stefanie Lohner Fremdwörtern auf den Grund gehen. Spielerisch entdeckten sie beim Eintauchen in die Welt der Römer nicht nur eine faszinierende Kultur, sondern auch ihre Fähigkeit, bereits erste lateinische Sätze mühelos zu erschließen. Dass Latein auch in anderen Fächern gebraucht wird, erfuhren die Kinder in Kleingruppen zusammen mit Biologielehrer Wolfgang Pöschl. Anhand eines präparierten Eisvogels und eines Kurzfilms über die Stockente erklärte er die Vorzüge ihres wärmenden und Wasser abweisenden Federkleids, welches das Tier bei Bedarf sogar selbst reparieren kann. „Feder“ heißt auf Lateinisch „penna“, und davon stammt nicht nur die gängige englische Vokabel „pen“, sondern auch das etwas ältere deutsche Wort „Pennäler“ in der Bedeutung „Gymnasialschüler“, welcher die „penna“ als „Schreibfeder“ nutzt. Die heutigen Pennäler am Turmair nutzen als Arbeitsmaterial neben traditionellen Schreibgeräten natürlich auch digitale Tools wie die schuleigenen iPads mitsamt Apple Pen. Im Fach Musik wiederum gibt es noch ganz andere Geräte zu entdecken – insbesondere die bunten Boomwhackers, die ohne jegliche Vorkenntnisse bedient werden können. Und genau diese durften die Kinder am Schnupperabend ausprobieren, indem sie mit Musiklehrer Thomas Knapek einen lustigen Song über einen besonders regsamen Regenwurm performten – natürlich auf Lateinisch.
Die Erwachsenen lauschten unterdessen dem Vortrag des renommierten Regensburger Fachdidaktikers und Lehrbuchautors Clement Utz. Dieser plädierte entschieden für das Fach Latein „gerade auch in unserer heutigen digitalen Welt“, und zwar – „wenn schon, denn schon“ – für Latein als erste Fremdsprache. Denn ein zehnjähriges Kind werde von der fremden Welt der Römer geradezu magisch angezogen und frage in seiner natürlichen Neugier der Lehrerin oder dem Lehrer die sprichwörtlichen Löcher in den Bauch: Was haben die Römer gegessen? Wie haben sie gewohnt und welche Haustiere hielten sie? Bei einer „Zeitreise in die Antike“, die der moderne Lateinunterricht am Turmair bietet, gibt es Antworten auf all diese Fragen. In der Didaktik habe nämlich, wie Utz betonte, mittlerweile ein Systemwechsel stattgefunden: Grammatik und Wortschatz stünden heute mehr denn je im Dienst der übersetzten Texte und ihrer zeitlosen, meist unschwer zu aktualisierenden Inhalte. Zudem seien die Kinder von der alltäglichen Präsenz des Lateinischen verblüfft, das nicht nur in vertrauten Kosmetikprodukten wie „Nivea“ und „Penatencreme“ steckt, sondern auch Fußball-Reporter im Munde führen, wenn sie die „defensive“ Spielweise als wenig „effizient“ kritisieren. So erfahren die Schüler Latein als sprachliches und historisches, bald auch als literarisches und philosophisches Fach, das „wertvolle Grundlagen für alles Mögliche“ lege, etwa für den Erwerb weiterer Fremdsprachen und die Methodik des Lernens an sich. Latein lehre problemlösendes und kombinatorisches Denken, wie dies gerade in der modernen Informationstechnologie gefragt sei: Denn die „Denkoperationen zur Analyse lateinischer Sätze sind dieselben wie beim Erstellen komplexer Computerprogramme“ – ein starkes Argument für Latein gerade im digitalen Zeitalter. Dennoch sei Latein „nicht schwerer als ein anderes gymnasiales Fach, aber auch nicht leichter“. Mit einer Basis von nur 1250 Vokabeln könne man nahezu 85 Prozent der wichtigsten lateinischen Texte verstehen – und zudem nicht nur Fremd- oder Lehnwörter im Deutschen, sondern auch Vokabeln aus anderen Sprachen sowie Fachbegriffe aus diversen Wissenschaften herleiten.
Zum krönenden Abschluss wurden alle Gäste gemeinsam mit auf eine Zeitreise ins Alte Rom genommen: Sie durften die diesjährige Premiere des Unterstufentheaters ansehen, und zwar einen von den knapp 20 jungen Turmair-Schauspielern selbst verfassten Antike-Krimi. Dessen Auslöser ist das mysteriöse Verschwinden von Deutschlehrerin und Theaterleiterin Franziska Maier (gespielt von Viola Streit), die, wie sich herausstellt, per Zeitmaschine in eine Schule im alten Rom geraten ist. Ihre Schüler reisen ihr – zusammen mit dem nicht wirklich hilfreichen Inspektor „Was-weiß-ich“ (Samuel Wesselmann) – hinterher und treffen eine römische Schulklasse und deren verschrobenen „magister“ (Moritz Kölbl), bevor sie ihre gefesselte Lehrerin entdecken. Warum wurde sie entführt? Das wiederum hat mit dem heutigen Turmair zu tun: Auf seinem Gelände soll sich seit ältester Zeit ein Schatz befinden, dessen Lage man von der Gefangenen erfahren will. Doch die Kinder befreien sie rasch, ehe sie das Geheimnis preisgibt. So liegt der Schatz bis heute unter dem JTG vergraben und wartet darauf, von den künftigen Schülern entdeckt zu werden. Genau dazu ermunterte Schulleiterin Andrea Kammerer – nach dem gebührenden Dank an alle Beteiligten – die angehenden Gymnasiasten.
Birgit Mania