Anlässlich des Europatags besuchten zwei in Niederbayern verwurzelte Politiker das Johannes-Turmair-Gymnasium und stellten sich den Fragen der Zehntklässler: Josef Zellmeier, CSU -Abgeordneter im Bayrischen Landtag und Vorsitzender im Finanzausschuss, sowie Erhard Grundl, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Dabei herrschte viel Einigkeit zwischen den beiden Politikern, aber es wurden auch kontroverse Sichtweisen deutlich.
Nach der Begrüßung durch Schulleiterin Andrea Kammerer stellten die Jugendlichen Fragen zu verschiedensten Themengebieten. Ein Schüler gab zu bedenken, dass jüdisches Leben in Deutschland bedroht sei und fragte nach, warum nicht noch mehr gegen Antisemitismus unternommen werde. Sowohl Zellmeier als auch Grundl sahen den Lösungsansatz hier in der politischen Bildung, die den Menschen befähigen müsse, tradierte Einstellungen zu hinterfragen: Während Erhard eher die Bedrohungslage durch rechtsextremistische Kräfte betonte, führte Zellmeier die Gefahr des importierten Antisemitismus an. Dass in Deutschland bzw. Europa die Rechte von Minderheiten geschützt werden, bewerteten beide als große Errungenschaft, die auf keinen Fall durch Nationalisten ausgehebelt werden dürfe. Noch mehr Übereinstimmung herrschte bei der Frage, ob man Tiktok verbieten sollte. Grundl meinte, der Bürger sollte ermächtigt werden, sich kritisch mit dessen Inhalten zu beschäftigen, ein Verbot sei die letzte Option. Zellmeier sah durchaus die Problematik, dass sich über Tiktok Hass und Hetze verbreiten, aber ein Verbot beschädige das hohe Gut der Meinungsfreiheit. Wie zu erwarten, traten bei dem nächsten von Schülerseite angesprochenen Thema Divergenzen auf: Wie soll man die Energiewende gestalten und so den Klimawandel bekämpfen? Zellmeier verwies darauf, dass er die Abschaltung der AKWs als Fehler sieht und als unnötigen europäischen Alleingang, Grundl zeigte sich überzeugt, dass der Atomausstieg richtig war, Deutschland in Zukunft die günstigste Energie in Europa erzeugen werde und setzte auf Erneuerbare Energien. Beim Thema Migration und Flüchtlinge wurden inhaltliche Überschneidungen deutlich: Sowohl Zellmeier als auch Grundl verdeutlichten, dass Deutschland aufgrund des demographischen Wandels auf Zuwanderung angewiesen, die Integration von Migranten eine gemeinsame politische Aufgabe sei und hier vernünftige Lösungen und Kompromisse gefunden werden müssten. Zellmeier betonte, dass die Integrationsfähigkeit der Mehrheitsgesellschaft nicht überfordert werden sollte. Bei dem Vorhaben, Migranten Zugang zu Bildung und zum Wohnungsmarkt zu ermöglichen, stoße man derzeit an Grenzen. Grundl verwies auf die Einigung auf eine gemeinsame Migrationspolitik auf europäischer Ebene, der die Bundespartei zugestimmt habe. Zugleich dürfe man den Wählern nicht vorgaukeln, dass eine Maßnahme, wie Asylverfahren an den Außengrenzen, alle Probleme lösen könne. Er mahnte – durchaus an die konservative Seite gerichtet – an, dass Integration nur in einer offenen Gesellschaft gelingen könne und populistische Äußerungen diese Offenheit gefährden könnten. Einigkeit der beiden Abgeordneten herrschte in der Bewertung der Rolle der AfD. Der AfD gehe es darum, in den Plenarsälen der Parlamente öffentlichkeitswirksam aufzutreten und Clips für die Sozialen Medien zu drehen. Konstruktive Mitarbeit an der Lösung der anstehenden Aufgaben sei von dieser Seite nicht zu erwarten. Grundl kritisierte zudem die Nähe der AfD zu autoritären Regimen wie Russland.
Am Ende der 90-minütigen Veranstaltung waren unterschiedliche politische Positionen der beiden Politiker klar, aber auch, dass in wesentlichen demokratischen Grundhaltungen Übereinstimmung herrscht. Der abschließende Applaus und das ein oder andere persönliche Dankeschön der Zehntklässler an die Politiker verdeutlichte, dass die demokratische Botschaft angekommen ist. Abschließend konnten sich die Zehntklässler mit Infomaterial über das EU-Parlament eindecken, da die meisten – durch die Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre – am 9. Juni selbst an der Europawahl teilnehmen dürfen.